Sektorkopplung mit minimaler Rechtsänderung voranbringen

Mit einer neuen Experimentierklausel im EnWG sollte der wirtschaftliche Betrieb von Power-to-X-Modellen ermöglicht werden, so das Ergebnis einer Studie


Mit der Studie beauftragt hatte Mecklenburg-Vorpommerns Energieminister Christian Pegel (SPD) das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (Ikem). Für Pegel ist „die Sektorkopplung unverzichtbarer Bestandteil der Energiewende“, damit der erzeugte Ökostrom vollständig genutzt werden kann, wie er bei der Vorstellung der Studie in Berlin betonte. Doch werde die Sektorkopplung durch rechtliche Hemmnisse wie die Belastung mit Steuern und Abgaben ausgebremst.

Abhilfe schaffen soll die vom Ikem vorgeschlagene Rechtsänderung, mit der in § 19a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) die Bundesregierung ermächtigt würde, durch eine Verordnung „Experimente zur Schaffung besserer Rahmenbedingungen für die Sektorkopplung“ zu ermöglichen. Es gehe dabei nicht darum, bestehende Experimentierklauseln oder Innovationsausschreibungen etwa für die Sinteg-Projekte infrage zu stellen, betonte Ikem-Geschäftsführer und Co-Autor der Studie, Simon Schäfer-Stradowsky.

Vielmehr solle in etwa 100 Modellprojekten, die eine Förderung über 20 Jahre erhalten sollen, die Sektorkopplung so erprobt werden, „dass sie mindestens mit einer schwarzen Null herauskommen“, so Minister Pegel. „Das ist nötig, damit ein Markt entstehen kann.“

Neuer Anlagenbegriff für die Privilegierung bei den Abgaben

Kern des Konzeptes ist die Schaffung eines neuen Anlagenbegriffs: In der „Anlagenkopplung“ sollen Erzeugung, Speicherung und Umwandlung, also alle (virtuell) über das Netz oder Direktleitungen angeschlossenen Elemente wie zum Beispiel Windparks, Elektrolyseur und Speicher, als eine Anlage betrachtet werden. Dabei soll nicht etwa die Kilowattstunde über Marktprämie oder EEG-Einspeisevergütung gefördert werden. Vielmehr erfolgt die Förderung durch die Reduzierung oder das Entfallen der Stromnebenkosten. Die PtX-Anlagen sollen also als Teil der Anlagenkopplung keine Letztverbraucher sein. Eine komplette Befreiung von den Netzentgelten soll es aber nicht geben.

Mit der 20-jährigen Förderung wolle man „keinen neuen Subventionstatbestand schaffen“, unterstrich Pegel. Sie sei aber nötig, um die Investitionen in die Anlagen abzusichern. Eine Evaluierung, um daraus Schlüsse für die längerfristigen Rechtsänderungen für die Sektorkopplung zu ziehen, könne aber bereits nach vier bis fünf Jahren erfolgen. Interessant sei das Modell etwa für Offshore-Windparks, die ohne EEG-Förderung auskommen wollen, sagte Schäfer-Stradowsky zu E&M. Pegel verweist auch auf „einen ganzen Sack von Onshore-Windparks, die aus der Förderung herausfallen“.

Der Großteil der Modellanlagen sollte in den sogenannten Netzausbaugebieten entstehen, wo derzeit schon mehr Ökostrom produziert wird, als regional verbraucht wird, also auch in Mecklenburg-Vorpommern. Die Auswahl der geförderten Anlagen soll über (Innovations-)Ausschreibungen erfolgen. Hauptkriterium dabei sollte der Innovationsgrad sein; einbezogen werden könnte aber auch die CO2-Wirkung oder das Nutzungskonzept, erläutert Schäfer-Stradowsky. Die Ikem-Experten schlagen als Mindestleistung der Anlagenkopplung 2 MW vor. Mindestens 30 und höchstens 50 % des erzeugten Stroms sollen umgewandelt werden dürfen.

Integration in die Innovationsausschreibungen

Mit der Studie liege ein vollständiger Gesetzentwurf für Experimentierklauseln vor, der schnell umgesetzt werden könne, betont der Ikem-Geschäftsführer. Teile der Experimentierklauseln ließen sich in die bereits für 2019 geplanten Innovationsausschreibungen integrieren. Das Verfahren könne im Bundestag oder im Bundesrat durch ein Bündnis der Länder angestoßen werden. Minister Pegel will den Vorschlag jedenfalls in die nächste Länder-Energieministerkonferenz im April einbringen.

Er betont, es gehe darum, die Sektorkopplung „zeitnah“ anzupacken. Die Bundesratsinitiative des Landes Schleswig-Holstein zu einer umfassenden Abgabenreform werde mehr Zeit brauchen, daher wolle man zunächst mit einem „minimal-invasiven Vorgehen“ die nächsten Schritte einleiten.

Brücke zu umfassender Reform

Bei den Erneuerbaren-Verbänden stieß die Ikem-Studie auf Zustimmung. „Power-to-X-Projekte müssen auf die Straße. Es macht Sinn, eine klar umrissene Größenordnung von Projekten nach vorne zu bringen“, unterstrich Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie und des Bundesverbandes Erneuerbare Energie. Es gelte, Skaleneffekte zu erzielen und die verschiedenen PtX-Lösungen nach vorne zu treiben. Wo Anlagen parallel weiter ins Stromnetz einspeisen, müsse allerdings der Einspeisevorrang sichergestellt bleiben.

„Kurzfristig kann der Ikem-Vorschlag eine Brücke bauen, um Power-to-X in industriellem Umfang zu erproben“, so Axthelm. Langfristig sei dafür aber ein Einstieg in die CO2-Bepreisung und eine Reform der Abgaben- und Umlagensystematik unumgänglich.


Source: Energie & Management, 2019-03-07.