„Neue Märkte sind eigentlich alte Märkte“

Dr. Asta Partanen beschreibt die Marktentwicklung für Biokomposite und wie sich der Wettbewerb zwischen Glasfasern und Naturfasern gestaltet


„Neue Märkte sind eigentlich alte Märkte. Von daher muss das Rad nicht neu erfunden werden, nur die Schwerpunkte haben sich aufgrund der politischen Entwicklungen wie etwa im Falle der Europäischen Verpackungsrichtlinie verändert“, erläutert Dr. Asta Partanen, Expertin für Biokomposite beim nova Institut, im Hinblick auf die Verpackungsindustrie. Wie sie die Marktentwicklung für Biokomposite beurteilt und wie sich der Wettbewerb zwischen Glasfasern und Naturfasern gestaltet, beschreibt sie im zweiten Teil des Interviews.

  1. Biokomposite spielen eine wichtige Rolle für die Circular Economy. Wie kann diese Bedeutung noch stärker in den Anwendungsbranchen verankert werden?

    Die Idee, verstärkt erneuerbaren Kohlenstoff einzusetzen – das ist Kohlenstoff aus Biomasse, direkter CO2-Nutzung oder Recycling – sollte stärker kommuniziert und propagiert werden. In einigen Ländern werden sogar schon entsprechende Vorgaben diskutiert.

  2. Viele Grundstoffe aus Kompositen sind bereits etabliert. Welche neuen Entwicklungen sehen Sie?

    In letzter Zeit hat die Verwendung von recycelten Polymeren und Fasern (Nebenströme oder Post-Consumer) zugenommen. Der Anteil landwirtschaftlicher Abfallfasern wie Flachs aus Leinsamen oder Stroh, Kakaofasern, Kokosfasern, etc. hat zugenommen.

  3. Was kann die Komposit-Branche von der Verpackungsbranche noch lernen?

    Neue Märkte sind eigentlich alte Märkte. Von daher muss das Rad nicht neu erfunden werden, nur die Schwerpunkte haben sich aufgrund der politischen Entwicklungen wie etwa im Falle der Europäischen Verpackungsrichtlinie verändert. Da der Gebrauch von Einwegverpackungen durch diese Verordnung stark eingeschränkt wird, sucht man nun Lösungen mit Mehrweg-Ansatz. Dabei war ein solcher Ansatz früher der Normalfall. Ein Beispiel ist hier das Mehrwegbesteck für unterwegs, welches aus nachhaltigen Holzfasern und bio-basierten PP gemacht wird. Mit dem Mehrweg-Ansatz versucht man eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Kunststoffbestecken zu finden, die ab 2021 in der EU verboten sein sollen. Viele ähnliche Lösungen können auch in anderen Märkten/Branchen gefunden werden z.B. für das Take-Away Catering. Die Zukunft wird zeigen, ob sich Biokomposite für Verpackungen als nachhaltige Lösung etablieren werden.

  4. Glasfasern benötigen zur Herstellung einen vergleichsweise geringen Primärenergiebedarf und können je nach Anbaubedingungen der Naturfasern ein starker Wettbewerber sein. Bitte beschreiben Sie vor diesem Hintergrund Ihren bioökonomischen Kreislaufansatz für Composite.

    Naturfasern haben einen noch geringeren Primärenergiebedarf, auch wenn man Fasern mit unterschiedlichen Eigenschaften methodisch nicht unmittelbar vergleichen kann – wohl aber die mit ihnen produzierten Komposite. Haufe und Carus (2011) geben hierzu z.B. an, dass Hanffaserverbundwerkstoffe im Gegensatz zu ihren fossil-basierten Pendants 10-50% Treibhausgasemission einsparen. Naturfasern bieten darüber hinaus für das Recycling und die Wiederverwertung der Komposite erweiterte Optionen gegenüber Glasfasern, da sie beim Recycling nicht brechen, sich also nur wenig verkürzen, und biologisch abgebaut werden können. Wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass Unternehmen so die Möglichkeit erhalten, ihren Produkten eine zusätzliche Eigenschaft hinzuzufügen, die auf der emotionalen Leistung des „GreenPremium“ basiert. Sie ist Teil des Gesamtprodukts und wird von den Endverbrauchern in Konsumgütern geschätzt. Besonders die Automobilindustrie und der Bausektor sind daran interessiert, zu zeigen, dass die von ihnen verwendeten Materialien „grün“ sind. Hanffasern sind bisher die einzigen Naturfasern auf dem Weltmarkt, die mit einer ISCC PLUS Nachhaltigkeitszertifizierung erhältlich sind.

  5. Das nova-Institut ist seit mehreren Jahren Partner der Composites for Europe. Bitte geben Sie uns einen kleinen Vorgeschmack auf die Schwerpunkte, die Sie in diesem Jahr präsentieren werden.

    Unsere neu gegründete Initiative für erneuerbaren Kohlenstoff bzw. die „Renewable Carbon Initiative“ zielt darauf ab, dass Ende des fossilen Zeitalters von Chemikalien und Kunststoffe einzuläuten. Fossiler Kohlenstoff soll vollständig durch erneuerbaren Kohlenstoff ersetzt werden, d.h. Kohlenstoff aus alternativen Quellen: Biomasse, direkte CO2-Nutzung und Recycling. Nur so können Chemikalien und Kunststoffe nachhaltig, klimafreundlich und Teil der Kreislaufwirtschaft werden – ein Teil der Zukunft!

    Einer der drei Quellen für erneuerbaren Kohlenstoff kann durch das Recycling zugänglich gemacht werden. Sowohl das mechanische, als auch das chemische Recycling stellen bereits Technologien zur Verfügung, welche eine Vielzahl an Abfallströmen adressieren können. Insbesondere sind die Entwicklungen im Bereich des chemischen Recyclings zurzeit sehr dynamisch, was die Etablierung von SMEs, sowie die politischen Entwicklungen und Investitionen betreffen. Aus diesem Grund nutzt das nova-Institut die Gelegenheit um eine Technologie- und Marktstudie zu diesem Thema im Herbst zu veröffentlichen. Die „Renewable Carbon Initiative“ geht das Kernproblem an: Unternehmen werden ermutigt, sich auf den Ausstieg aus fossilen Ressourcen zu konzentrieren und stattdessen erneuerbaren Kohlenstoff zu verwenden. Die Initiative will diese Botschaft verbreiten, Informationen bereitstellen, Unternehmen zusammenbringen und politische Empfehlungen entwickeln. Und dies beantwortet auch Ihre Eingangsfrage: Bei Kompositen liegt unser Schwerpunkt auf Kompositen, die möglichst große Anteile erneuerbaren Kohlenstoffs enthalten. Das kann durch Holz- und Naturfasern gelingen und auch durch bio- oder CO2-basierte Polymere oder Rezyklate.

Zu Teil 1 des Interviews


Source: Composites Europe, Pressemitteilung, 2020-08-05.