Die rasche Reduzierung von CO2-Emissionen ist weltweit eine der dringendsten und herausforderndsten Aufgaben unserer Zeit. Neben der Strategie, CO2-Emissionen zu vermeiden, gibt es bereits Technologien, um unvermeidbares CO2 in wertvolle Produkte umzuwandeln. Doch diese sogenannten Power-to-X-Prozesse sind derzeit noch zu ineffizient und teuer. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme in Dresden haben nun keramikbasierte Reaktoren entwickelt, mit denen aus CO2 und Wasserdampf Grundstoffe für die chemische Industrie herstellbar sind: und das deutlich effizienter und klimaneutral.
Deutschland – als eine der größten Volkswirtschaften – liegt beim Ausstoß von CO2 weltweit auf Platz sechs. Allein im industriellen Sektor fallen jährlich 188 Millionen Tonnen CO2 an. Gleichzeitig muss Deutschland den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung deutlich erhöhen, um die Klimaziele zu erreichen. Doch diese erneuerbaren Energien sind zeitlich schwankend und auch nicht unbegrenzt verfügbar. Daher gilt es, diese intelligent und vor allem effizient einzusetzen.
Derzeit werden verschiedene Strategien zur Nutzung unvermeidbarer CO2-Emissionen verfolgt, um daraus beispielsweise chemische Grundstoffe (X) herzustellen. Um dies möglichst klimaneutral zu realisieren, muss der dafür benötigte Strom (Power) aus erneuerbaren Energien bezogen werden: So wird klimaschädliches CO2 zur Herstellung klimaneutraler Produkte genutzt.
Solche Power-to-X-Prozesse sind aber bislang noch zu ineffizient, da sie aus vielen aufwändigen Einzelprozessen bestehen. Wissenschaftlern des Fraunhofer IKTS ist es nun gelungen, eine Laboranlage – bestehend aus keramikbasierten Reaktoren – zu entwickeln, in dem eine CO2-Umwandlung in klimaneutrale Chemierohstoffe gelingt. In diesen Reaktoren werden die Einzelprozesse intelligent gekoppelt sowie Stoff- und Energieflüsse intensiviert. Dadurch steigt die Effizienz gegenüber bisherigen Power-to-X-Prozessen.
Unvermeidbare CO2-Emissionen fallen beispielsweise in großen Mengen in der Zement- und Kalkindustrie an. Um dieses CO2 nutzbar zu machen, werden am Fraunhofer IKTS vielfältige keramische Komponenten und Technologien eingesetzt. Beispielsweise sorgen keramische Filterkerzen für das Entstauben der Abgase. Erst nach einer solchen Grobreinigung kann das CO2 durch keramische Membranen herausgefiltert werden. Das so gewonnene CO2 wird in einem neu entwickelten, keramischen Hochtemperatur-Elektrolyse-Reaktor bei über 750 °C in Kohlenmonoxid umgewandelt. Gleichzeitig – und das ist das Besondere – wird im selben Reaktor aus Wasserdampf der Wasserstoff erzeugt – daher auch der Name Co-Elektrolyse. Kohlenmonoxid und Wasserstoff ergeben zusammen Synthesegas.
Die eingesetzten Reaktoren sind Elektrolysestacks (SOEC). Sie wurden am IKTS entwickelt und haben eine Langzeitstabilität von mehr als 4000 h bereits erfolgreich demonstriert. Im Vergleich zur etablierten alkalischen oder PEM-Elektrolyse benötigt die Hochtemperatur-Elektrolyse wesentlich weniger elektrische Energie und ermöglicht zudem die direkte Herstellung von Synthesegas. Um dies klimaneutral zu erzeugen, wird der Elektrolysereaktor mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben.
In einem nachgeschalteten, ebenfalls am IKTS entwickelten Fischer-Tropsch-Reaktor erfolgt dann die Überführung des Synthesegases in chemische Grundstoffe – beispielsweise in langkettige Kohlenwasserstoffe.
»Wir haben im Labormaßstab den Nachweis erbracht, dass man die Einzelprozesse eines Power-to-X-Systems intelligent koppeln und zusammenfassen kann. Erst dadurch arbeitet unser Reaktorkonzept so effizient. Im nächsten Schritt zur Hochskalierung soll nun eine Power-to-X-Anlage mit einer Leistung von 10 kW entstehen. Auf Basis der bisherigen Laborergebnisse und ausgehend von realistischen Annahmen für den Betrieb der Produktionsanlage im wirtschaftlichen Maßstab ist dabei eine deutliche Effizienzsteigerung gegenüber heutigen Anlagen zu erwarten«, erläutert Dr. Matthias Jahn, Projekt- und Abteilungsleiter Chemische Verfahrenstechnik am Fraunhofer IKTS. Eine derartige Erhöhung des Wirkungsgrades auf dann über 55% gelingt nur durch geschlossene und somit umweltfreundliche Stoff- und Energiekreisläufe. Das heißt: Die Nebenprodukte wie kurzkettige Kohlenwasserstoffe und Abwärme werden nicht mehr an die Umwelt abgegeben, sondern fließen direkt ins System zurück.
»Wir kümmern uns nun um die nächsten Schritte, damit künftig möglichst viele Produkte klimaneutral aus CO2-Emissionen herstellbar sind. So ist ein solches Reaktorkonzept natürlich auch übertragbar auf die Produktion von Schmierstoffen, Wachsen für die Kosmetikindustrie oder die Erzeugung von Kraftstoffadditiven mit verbesserten Verbrennungseigenschaften«, resümiert Dr. Matthias Jahn. Eine weitere Automatisierung und Regelbarkeit der einzelnen Prozesse haben die Wissenschaftler dabei ebenfalls im Blick.
Innerhalb der nächsten drei Jahre soll dieses Reaktorkonzept im Kalkwerk Bergmann Kalk im oberfränkischen Kasendorf? in den Pilotmaßstab überführt werden. Colyssy heißt dieses ambitionierte – durch das BMBF geförderte – Projekt, welches Anfang des Jahres im Rahmen des HYPOS-Konsortiums gestartet ist.
»Möchte man über Power-to-X eine Sektorenkopplung erreichen und CO2-Emissionen reduzieren, muss es künftig wirtschaftliche Anreize geben, d. h. die politischen Rahmenbedingungen müssen so angepasst werden, dass die entstehenden Mehrkosten für eine klimaneutrale Produktion ausgeglichen werden und das Produkt trotzdem wettbewerbsfähig ist«, wünscht sich Sebastian Groppweis, Geschäftsführer und Mitinhaber des Familienunternehmens Johann Bergmann Kalk von den politischen Entscheidungsträgern.
Source: Fraunhofer IKTS, Pressemitteilung, 2019-10-09.