Zementindustrie als Rohstofflieferant für reFuels – Flughafen Stuttgart möglicher Abnehmer

Verkehrsministerium und Zementindustrie vereinbaren Machbarkeitsstudien zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe


Klimaschutz ist ein wichtiges Ziel der Landesregierung. Dafür müssen unter anderem auch Schifffahrt und Flugverkehr größere Anstrengungen unternehmen. Deshalb hat das Verkehrsministerium Baden-Württemberg Pilotvorhaben mit der Zementindustrie im Land vereinbart und strebt eine Zusammenarbeit mit dem Landesflughafen Stuttgart für den Einsatz synthetischer Kraftstoffe an.

„Neben dem Verkehr trägt insbesondere die Zementindustrie im Land zu einem erheblichen Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) bei“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann am Donnerstag in Stuttgart. Er fügte hinzu: „Dieses CO2 wollen wir nutzen, um damit und mit Hilfe erneuerbarer Energien sogenannte „reFuels“, also klimaneutrale synthetische Kraftstoffe herzustellen. Wie man synthetisches Kerosin im Flugverkehr einsetzen kann, wollen wir in Zusammenarbeit mit dem Flughafen Stuttgart erproben. Denn der Luftverkehr trägt derzeit noch erheblich zum Klimawandel bei und muss dringend klimafreundlicher werden.“

Vertreter der baden-württembergischen Zementindustrie, des Industrieverbandes Steine und Erden (ISTE) Baden-Württemberg und des Vereins Deutscher Zementwerke (VDZ) waren bereits vor einigen Wochen mit Experten des Verkehrsministeriums zusammengekommen. Dabei wurde über die Gewinnung synthetischer Kraftstoffe aus dem CO2-Ausstoß von Zementwerken mit Hilfe erneuerbarer Energie gesprochen.

Die Landesregierung fördert bereits im Rahmen des Strategiedialogs Automobilwirtschaft (SDA) das Projekt „reFuels – Kraftstoffe neu denken“ beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Nun soll das know how aus diesem Projekt dazu beitragen, zu untersuchen wie die CO2-Emissionen bei einem Zementwerk für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe genutzt werden können“, erklärten Minister Hermann und Vertreter der Zementindustrie, des ISTE sowie die Projektbeteiligten von KIT und dem Startup-Unternehmen INERATEC.

„Wir haben sehr großes Interesse an diesem Thema“, so ISTE-Hauptgeschäftsführer Thomas Beisswenger. „Für die Zementindustrie stellen die CO2-Emissionen einen unvermeidbaren Aspekt bei der Produktion von Klinker und Zement dar. Denn durch den eingesetzten Kalkstein und durch die notwendige Wärme in den Öfen entsteht sehr viel CO2. Wenn es zukünftig gelingen würde, dieses unvermeidliche CO2 in einen Kreislauf zu bringen oder für neue Produkte zu nutzen, wäre das von höchstem Interesse. Unsere Mitgliedsfirmen werden sich daher gerne bei der Machbarkeitsstudie mit ihrem Wissen einbringen.“

Geplant ist zunächst eine Machbarkeitsstudie, die die lokalen Bedingungen bei den Zementwerken in Baden-Württemberg vergleichend untersucht, um einen oder mehrere geeignete Zementwerkstandorte in Baden-Württemberg zu finden, und einen Vorschlag für ein konkretes Projekt ausarbeitet. Ein Entscheidungskriterium ist auch die Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energien, der für reFuels erforderlich ist. Danach sollen in einem zweijährigen Projekt an einem Zementwerk die Herstellung synthetische Kraftstoffe erprobt werden.

„Die Produktionsanlagen brauchen einen zeitlichen Vorlauf. Wenn wir 2030 einen nennenswerten Anteil an refuels haben wollen müssen die Anlagen jetzt geplant und zeitnah gebaut werden“, sagte Lahl. Dafür müsste zum einen der regulatorische Rahmen in Deutschland und in der Europäischen Union angepasst werden und zum anderen muss es Förderprogramme geben, damit unter anderem auch in Südeuropa oder in Nordafrika, wo die Erzeugungsbedingungen für erneuerbaren Strom ganzjährig günstiger sind, Anlagen entstehen können.

Etwa 44 Prozent des CO2-Ausstoßes der baden-württembergischen Industrie geht auf die sieben Zementwerke im Land zurück. Dieses CO2 stammt sowohl aus dem Verbrennungsprozess als auch dem chemischen Prozess der Zementherstellung. Der Anteil des Verkehrssektors am CO2-Gesamtausstoß in Baden-Württemberg beträgt rund 30 Prozent.

Die Geschäftsführerin der Flughafen Stuttgart GmbH, Dr. Arina Freitag, erklärte: „Um im Luftverkehr den entscheidenden Schritt in Richtung Klimaneutralität zu gehen, müssen wir jetzt alle Kraft auf die Herstellung von synthetischen Treibstoffen verwenden. Fliegen muss so schnell wie möglich klimaneutral werden. Die technischen Lösungen dafür sind da. Jetzt sind alle Partner gefragt, diese an den Start zu bringen – wir als fairport wollen auch hier Vorreiter sein und diese Initiative aktiv begleiten.“

Ergänzende Information:

Nach Fertigstellung der Machbarkeitsstudie könnte in einem nächsten Schritt ein (Pilot-)Projekt der Zementindustrie zur Nutzung der produktionsbedingten CO2-Emissionen für die Herstellung für reFuels entstehen. In einem weiteren Schritt könnte das Verfahren auf andere Standorte übertragen werden. Ziel ist es, einen sichtbaren Beitrag zur Industrialisierung von reFuels zu liefern und gleichzeitig die Emissionen von Zementwerken deutlich zu senken. Das Projekt baut auf einem laufenden Projekt des KIT auf.

Beim Güter-, Schiffs- und Luftverkehr aber auch bei Industrieprozessen müssen deutliche CO2-Reduzierungen erreicht werden. Mit dem im Januar 2019 beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gestarteten Projekt „reFuels – Kraftstoffe neu denken“ wollen die Landesregierung, KIT und Partner aus der Automobil-, Automobilzuliefer- und Mineralölindustrie Herstellungs- und Anwendungsmöglichkeiten synthetischer Kraftstoffe, die mit Hilfe erneuerbaren Stroms erzeugt werden, ganzheitlich untersuchen, um sie als Alternativen zu fossilen Treibstoffen zu etablieren. INERATEC ist im Projekt reFuels für die Konzeption und die Bereitstellung der Anlagen verantwortlich (https://ineratec.de/).


Source: Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (VM), Pressemitteilung, 2019-07-25.