7. Konferenz zur nachhaltigen chemischen Konversion in der Industrie bildet offiziellen Abschluss der zweiten Förderphase des Verbundprojekts Carbon2Chem®

Über 200 virtuell und analog Teilnehmende verfolgten die Präsentation der Ergebnisse aus acht Jahren Forschung zur Nutzung von CO2 aus Prozessgasen der Industrie für die Synthese von Chemieprodukten


Die Idee von Carbon2Chem® funktioniert! Jetzt gilt es, die entwickelten Technologien zu industrialisieren und zu kommerzialisieren – und das idealerweise in einer im Januar 2025 beginnenden dritten Phase des Verbundprojektes. So lautete die Quintessenz der 7. Konferenz zur nachhaltigen chemischen Konversion in der Industrie mit über 200 virtuell und analog Teilnehmenden. Präsentiert wurden Ergebnisse aus acht Jahren Forschung zur Nutzung von CO2 aus Prozessgasen der Industrie als Kohlenstoffquelle für die Synthese von Chemieprodukten.

Begrüßung durch die Carbon2Chem®-Koordinatoren: Prof. Robert Schlögl, Dr. Markus Oles und Prof. Görge Deerberg.
Begrüßung durch die Carbon2Chem®-Koordinatoren (v.l.): Prof. Robert Schlögl, Dr. Markus Oles und Prof. Görge Deerberg.
© Fraunhofer UMSICHT/Christopher Schmidt

»Im Verbundprojekt Carbon2Chem® wollen wir sowohl was für den Klimaschutz tun als auch die Wirtschaft fördern – und zwar mit Hilfe von Carbon Capture und Utilization (CCU).«

Zur Eröffnung der Konferenz in Berlin stellte Prof. Görge Deerberg nochmal die Zielsetzung der insgesamt 22 Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft heraus, die in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Vorhaben zusammenarbeiten. Bei der Begrüßung unterstützt wurde er von seinen beiden Mitkoordinatoren: Dr. Markus Oles und Prof. Robert Schlögl, der direkt die erste Keynote beisteuerte.

»Unsere Erkenntnis aus zwei Phasen Forschungsarbeit: Die Idee von Carbon2Chem® funktioniert!«, fasste er zusammen. »Das von uns hergestellte Methanol ist beispielsweise genauso gut wie das, das Sie in der Flasche kaufen.« Trotzdem: Ein Bisschen hätte man noch zu tun. »Wir müssen unsere Beobachtungen in Raum und Zeit verlängern.«

Dazu gehöre auch, größere Anlagen zu bauen, um die Qualität der bisherigen Ergebnisse in anderen Dimensionen zu beweisen.

In eine ähnliche Richtung gingen die folgenden Vorträge. »Angesichts des voranschreitenden Klimawandels gibt es keine Alternative zu Carbon2Chem®«, zeigte sich Dr. Cetin Nazikkol von der thyssenkrupp AG überzeugt. Die entwickelten Technologien in die industrielle Anwendung zu bringen sei allerdings eine Riesenaufgabe, für die man Unterstützung in Form sowohl von finanzieller Förderung als auch von Early Movern brauche. Diesem Ruf nach Großskalierung und Förderung schloss sich Dr. Tina Buchholz vom VCI e.V. an. Dabei stellte sie die Rolle der chemischen Industrie als CO2-verwertenden Partner heraus. »Schließlich sind wir trotz angestrebter Defossilisierung weiterhin auf Kohlenstoff als Grundfaktor für unsere Produkte angewiesen.«

Die Bedeutung der Carbon2Chem®-Lösungen für Chemie, Stahl- und Zementproduktion sowie die Abfallwirtschaft hob auch Ministerialdirektor Stefan Müller vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in den Vordergrund. Ein großer Vorteil in seinen Augen: »Während Carbon Capture and Storage (CCS) Geld kostet, lässt sich mit CCU gegebenenfalls Geld verdienen.« Allerdings brauche die Industrie Lösungen, die auf Herz und Nieren geprüft seien. Sonst würden Investitionen ausbleiben. »Sie können stolz auf die beeindruckenden Ergebnisse sein, die Sie bislang im Projekt erreicht haben«, lautete sein Feedback an die Projektpartner.

Jetzt müsse man auf die Umsetzung schauen und weiter an den Förderanträgen für die dritte Phase von Carbon2Chem® arbeiten.

Ebenfalls Teil des ersten Veranstaltungstages: eine Diskussionsrunde zu regulatorischen Rahmenbedingungenmit Malte Bornkamm (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz), Matthias Brey (EY Consulting), Dr. Eric Maiser (VDMA) und Prof. Ulrich Seifert (Fraunhofer UMSICHT).

Die Vortragenden des ersten Themenblocks »Erfolgsstory Carbon2Chem®«
Die Vortragenden des ersten Themenblocks »Erfolgsstory Carbon2Chem®« (v.l.): Prof. Görge Deerberg, Ministerialdirektor Stefan Müller, Dr. Tina Buchholz, Prof. Robert Schlögl, Dr. Cetin Nazikkol und Dr. Markus Oles. © Fraunhofer UMSICHT/Christopher Schmidt

Systemintegration und Fach-Communities

Im Fokus des zweiten Veranstaltungstages standen Ergebnisse. Den Anfang machte das Teilprojekt Systemintegration. Dr. Florian Haakmann (thyssenkrupp Steel Europe AG) stellte zunächst die Zielsetzung vor: die Verknüpfung der Ergebnisse aller Projektpartner zu einem Gesamtkonzept mit Hilfe von Modellierung und Simulation. Um das zu erreichen, werden Prozesskonzepte entwickelt sowie deren Validität durch die Resultate und Erfahrungen aus den übrigen Teilprojekten und Fach-Communities geprüft. In Summe hat man sowohl die Carbon2Chem®-Prinzipien als auch Wirtschaftlichkeit und Effizienz der entwickelten cross-industriellen Lösungen unter Beweis stellen können.

Ins Detail gingen die anschließend Vortragenden. Sie präsentierten Ergebnisse aus den vier Fach-Communities Simulation, Prozessdesign, Kostenkalkulation und Life Cycle Assessment. Dr. Florian Dignath (thyssenkrupp Transrapid GmbH) stellte beispielsweise heraus, dass in der Community Simulation innovative Netzwerksimulationsmodelle und -werkzeuge entstanden sind und erfolgreich mit Experimenten im Carbon2Chem®-Technikzentrum validiert wurden. Darüber hinaus sind der prognostizierte Verbrauch sowie die Produktion von Gasen, Wasserstoff, Produkten, Prozesswasser, Dampf und Energie systematisch aufgeführt worden, um eine Grundlage für die weitere Verarbeitung sowie für ökologische und wirtschaftliche Bewertungen zu schaffen.

Im Mittelpunkt der Community Prozessdesign steht die technische und mechanische Konstruktion einer Prozessanlage auf Grundlage von Simulationsdaten und vordefinierten Randbedingungen, führte Dr. Matthias Krüger (thyssenkrupp Uhde GmbH) aus. Im Rahmen des Carbon2Chem®-Projekts wurde dabei ein modularer Werkzeugkasten für Prozesseinheiten erstellt, mit dem Prozessdaten für verschiedene Prozessschritte schnell abgeschätzt werden können.

In der Community Kostenkalkulation wurde der Aufwand für die Methanol- und Harnstoffproduktion in verschiedenen Prozesskonzepten geschätzt, so Lars Paschke (Fraunhofer UMSICHT). Dabei lieferte die Untersuchung verschiedener Szenarien hinsichtlich der Hauptkostenfaktoren (z. B. Strom- und Wasserstoffkosten) einen Überblick über die durchschnittlichen Kosten von Methanol. Eines der Ergebnisse: Die Elektrolyse macht in den meisten Szenarien über 50 Prozent der Durchschnittskosten aus. Bei hohen Strompreisen können bis zu 80 Prozent der Durchschnittskosten auf die Wasserelektrolyse zurückgeführt werden.

Einblicke in die Arbeit der Community Life Cycle Assessment  gewährte Ankur Gaikwad (Fraunhofer UMSICHT). Sie versteht sich in erster Linie als Plattform für alle Projektpartner, um Ideen, Ergebnisse und Perspektiven mit Bezug zur Ökobilanzierung zu diskutieren. Das durch den Austausch gewonnene Know-how floss u.a. in die Modellierung und Interpretation von Life Cycle Assessments ein.

CO2-Quellen und Wasserstoff

Es folgten Vorträge rund um CO2-Quellen und Wasserstoff. Dr. Nina Kolbe (thyssenkrupp Steel Europe AG) präsentierte Ergebnisse aus dem Teilprojekt »CO2-Quellen und Infrastruktur« und erklärte: In der Stahlindustrie kann der Großteil des CO2 vermieden werden, indem die Hochofenroute durch eine Kombination aus H2-basierter Direktreduktion und einem erhöhten Schrottanteil ersetzt wird. Etwa fünf bis zehn Prozent der CO2-Bildung sind aus metallurgischen Gründen unvermeidbar, können aber in Zukunft aus biogenem Kohlenstoff stammen. In der Kalkindustrie dagegen sind zwei Drittel der gesamten CO2-Bildung auf die Zersetzung von Kalkstein zurückzuführen und unvermeidbar.

Wie die Kalkindustrie mit dieser Herausforderung umgeht, erläuterte Dr. Martin Volmer (Lhoist Germany Rheinkalk GmbH) am Beispiel seines Unternehmens. Zur Diskussion stehen u.a. neue Technologien für die Kalkproduktion, eine Transformation der Energieversorgung und der Einsatz von CCU. Technisch, so betonte er, ist es möglich, eine Kalkfabrik zu defossilisieren. Allerdings gibt es noch viele Hürden – angefangen bei hohen Investitionskosten bis zum noch nicht existenten Regulierungsrahmen.

Um die Bereitstellung von Wasserstoff drehte sich der Vortrag von Dr. Jens Kuhlmann (thyssenkrupp nucera AG). Er befasste sich vor allem mit der Arbeit an der alkalischen Wasserelektrolyse und ihrem bevorstehenden Scale-up. Dabei müssen, hob er hervor, vor allem die Punkte Sicherheit, Zuverlässigkeit, Leistung und Preis berücksichtigt werden.

Mit der Speicherung von Wasserstoff in unterirdischen Salzkavernen setzte sich Maurice Schlichtenmayer (ESK GmbH) auseinander. Sie gewährleiste Speicherkapazitäten zu niedrigen spezifischen Kosten – also genau das Richtige, um das schwankende Wasserstoffangebot und die konstante Nachfrage großer Verbraucher wie einer Methanolanlage aus dem Projekt Carbon2Chem® auszugleichen. Konkret beschrieb er die geologische und technische Machbarkeit für die Entwicklung von bis zu 168 Mio. m3 (n.c.) oder 595 GWh Arbeitsgaskapazität bis 2040 an einem Standort in der Niederrheinischen Bucht.

Analytik und Gasbehandlung

Der nächste Themenblock war Analytik und Gasbehandlung gewidmet. Erstere – so betonte Dr. Holger Ruland (Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion) in seinem Vortrag – ist einer der Schlüssel zur Entwicklung und zum Verständnis der Gasreinigung und -anwendung. Um Prozessgase der Stahlproduktion als Edukte für die Synthese von Chemikalien wie Methanol zu nutzen, muss bekannt sein, welche Spurenbestandteile die Rohgase enthalten. Das geschieht im Carbon2Chem®-Technikum in Duisburg: Die Gase werden auf Basis von Katalysatoren und Sorptionsmitteln von Clariant im sogenannten HüGaProp-Container analysiert und nach der Reinigung in einem Labor untersucht. Eine der Erkenntnisse: Sowohl bei Hochofengas als auch bei Sauerstoffaufblasgas ist die Zusammensetzung der Hauptkomponenten vor und nach dem Reinigungsprozess ähnlich.

Die Frage, wie die Gasreinigung im Verbundprojekt aussieht, beantworteten Dr. Barbara Zeidler-Fandrich (Fraunhofer UMSICHT) und Dr. Olaf von Morstein (thyssenkrupp Uhde GmbH). Auf der Suche nach kosteneffizienten und zuverlässigen Lösungen für die Reinigung von Hochofen-, Gicht- und Koksofengas haben die Forschenden verschiedene Konzepte für die Auslegung von Gasbehandlungsanlagen beleuchtet – u.a. mit Blick auf die Auswahl von Katalysatoren, die Adsorbentien und die Abfolge von Behandlungsschritten. Am Ende stand eine Pilotanlage zur Gasbehandlung mit echten Stahlwerksgasen. Ihr Betrieb mit über mehr als 44.000 Betriebsstunden hat die Machbarkeit des ausgewählten Konzepts der Gasbehandlungsschritte zur Erzeugung eines sauberen Synthesegases für die Herstellung von Methanol und Ammoniak bewiesen.

Synthesen und Produkte

Im letzten Themenblock der Konferenz ging es dann um Synthesen und Produkte – darunter die Erforschung und Entwicklung neuer (Teil-)Verfahren zur Herstellung von Polycarbonaten, präsentiert von Dr. Stephanie Eiden (Covestro Deutschland AG). In ihrem Vortrag »Carbon2Polymers« erläuterte sie, wie der katalytische Mechanismus und die Katalysatorstabilität der CO-Umwandlung in einer Laboranlage und einer Pilotanlage untersucht wurden.

»Wir haben die Verwendung von CO aus dem Konvertergas in allen Prozessschritten bewertet und bisher wurde kein Hindernis identifiziert«, fasste sie zusammen. »Daher gehen wir derzeit davon aus, dass CO aus dem Gas-Konverter in Zukunft auch im industriellen Maßstab verwendet werden kann.«

Auf das Beispielprodukt Methanol konzentrierte sich Dr. Andreas Menne (Fraunhofer UMSICHT) in seinem Vortrag. Es wird seit Sommer 2023 in einer Demonstrationsanlage am Stahlwerk der thyssenkrupp Steel Europe AG in Duisburg produziert – betrieben mit Gasen der laufenden Stahlproduktion.

Bisherige Erkenntnisse: »Wir können Methanol gemäß industriellen Spezifikationen herstellen, und sowohl die Gasreinigung als auch die Katalysatoren laufen stabil«, so Andreas Menne. »Zudem konnten wir keinen Unterschied zwischen dem Betrieb mit synthetischen Gasen oder gereinigtem Hochofengas feststellen.«

In der Konsequenz gilt es nun, die Anlage auf industriellen Maßstab hochzuskalieren.

Einen potenziellen Abnehmer des Methanols stellte Oliver Obrist (OBRIST DE GmbH) dar. Er präsentierte im letzten Vortrag der Konferenz unter dem Titel »Herausforderung Anwendung« das eMethanol-Auto – den Beweis, dass das bei Carbon2Chem® entwickelte Methanol in Personenkraftwagen genutzt werden kann. Konkret hat OBRIST einen 2-Zylinder-Methanolmotor entwickelt und in zehn Fahrzeuge eingebaut. Zwei davon standen vor Ort in Berlin, und viele Teilnehmenden der Konferenzen nutzten die Pausenzeiten für eine Probefahrt.

Die Partner im Verbundprojekt Carbon2Chem®
Die Partner im Verbundprojekt Carbon2Chem®

Weitere Ergebnisse finden Sie in der Postersession! 


Source: Fraunhofer UMSICHT, Pressemitteilung, 2024-10-09.